Wirft die Patientin vor, eine pränataldiagnostische Untersuchung sei fehlerhaft erfolgt, sodass eine Spätabtreibung unterblieben ist, obliegt es der Patientenseite nachzuweisen, dass im Falle der ordnungsgemäßen Befunderhebung tatsächlich ein Schwangerschaftsabbruch zulässig und tatsächlich durchgeführt worden wäre. Der Bundesgerichtshof (Urt. v. 14.02.2023 – VI ZR 295/20) hat die diesbezügliche – strenge – Rechtsprechung erneut bestätigt. Bei der Bewertung der Rechtmäßigkeit des hypothetischen Abbruches ist nach ständiger Rspr. zu prüfen, ob sich für die Mutter aus der Geburt des (potenziell) schwerbehinderten Kindes und der hieraus resultierenden besonderen Lebenssituation Belastungen ergeben, die sie in ihrer Konstitution überfordern und die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung ihres seelischen Gesundheitszustandes als so drohend erscheinen lassen, dass bei der gebotenen Güteabwägung das Lebensrecht des Ungeborenen dahinter zurückzutreten hat. Ob eine solche Gefahr im Sinne des § 218a Abs. 2 StGB besteht, hängt nach der neuen Entscheidung des BGH mithin auch davon ab, wie wahrscheinlich die Behinderung und der zu erwartender Grad der Einschränkung sei. Im konkreten Fall lag eine Balkenagenesie vor, bei der nach den Feststellungen des erstinstanzlich mit dem Fall befassten LG Mannheim nur in 12 % es zu einer schweren Behinderung des Kindes kommt. Diese unklare Diagnose der kindlichen Schädigung verdoppele die Unsicherheit der Gefahrenprognose für die Mutter nach einer Geburt eines möglicherweise geschädigten Kindes und stelle besonders hohe Anforderungen an den Nachweis der Rechtmäßigkeit des Schwangerschaftsabbruchs. Dabei betonte der Bundesgerichtshof auch, dass im Grundsatz das Lebensrecht des Ungeborenen nach geltender Rechtslage vorrangig sei.