Die Auslegung von Versicherungsbedingungen steht oft im Zentrum von versicherungsrechtlichen Rechtsstreiten. So auch im Fall des OLG Dresden (Beschluss vom 12.10.2022, Az.: 4 U 673/22). Konkret ging es um die Auslegung des Begriffs der Berufsunfähigkeit. Die Versicherungsbedingungen der Beklagten enthielten zwar eine Definition der Berufsunfähigkeit, diese enthielt aber nicht den Begriff der „dauerhaften“ Unfähigkeit zur Berufsausübung. So lautete die maßgebliche Bedingung: „Als berufsunfähig ist derjenige anzusehen, der durch körperliche Gebrechen oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte unfähig ist, eine seiner Vorbildung und seiner bisherigen Tätigkeit entsprechenden Beschäftigung auszuüben. Berufsunfähigkeit ist anzunehmen, wenn die Berufsfähigkeit um mehr als die Hälfte herabgesetzt ist.“
Bei der Klägerin wurde im Jahr 2017 ein Mammakarzinom festgestellt, sodass sie für ein Zeitraum von etwa 1 ½ Jahren nicht in ihrem Beruf tätig sein konnte. Die beklagte Berufsunfähigkeitsversicherung lehnte ihre Einstandspflicht für diesen Zeitraum ab, weil die gesundheitlichen Einschränkungen nicht dauerhaft seien. Die hiergegen eingelegte Klage hatte auch vor dem OLG Dresden keinen Erfolg: Entgegen der Auffassung der Klägerin sei dem Begriff der „Berufsunfähigkeit“ das Merkmal der Dauerhaftigkeit immanent, auch wenn es in den Versicherungsbedingungen nicht erwähnt sei. Auch einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer sei bewusst, dass eine vorübergehende, wenn auch schwerwiegende Erkrankung nicht vom Versicherungsumfang umfasst sein sollen. Dies gelte insbesondere auch deshalb, weil die Berufsunfähigkeitsversicherung einen Versorgungscharakter habe und gegen Einkommenseinbußen absichern soll, die mit einer dauernden Beeinträchtigung der Berufsausübung einhergehen.