Aus Anlass eines Geburtsschadensfalles hat der BGH in seinem Urteil vom 24.05.2022 - VI ZR 206/21 herausgearbeitet, dass die Schadensersatzpflicht auch bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers durch den Schutzzweck der Norm begrenzt wird.
Dem Gynäkologen war vorzuwerfen, dass er der Schwangeren trotz einer Hochrisikoschwangerschaft nicht unverzüglich bei der Krankenhausaufnahme die genauen Verhaltensregeln erteilt hatte, damit sie sich adäquat verhält und sich bei Wehentätigkeit unmittelbar meldet. Die Mutter kam erst zwei Stunden nach einsetzender Wehentätigkeit in den Kreißsaal, wo sich bereits eine fetale Bradykardie zeigte und das Kind per Notsectio ohne Atmung und Herztätigkeit entbunden wurde. Nachdem das Berufungsgericht in der Fehlinformation einen groben Behandlungsfehler sah und die Geburtsklinik verurteilte, hat der BGH in der Revisionsinstanz das Urteil aufgehoben und zur neuen Verhandlung zurückverwiesen.
Der BGH betont grundlegend, dass die Umkehr der Beweislast nach einem groben Behandlungsfehler keine Sanktion für ein besonders schweres Arztverschulden sei. Eine Schadensersatzpflicht besteht nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen worden ist. Der geltend gemachte Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen; ein "äußerlicher", gleichsam "zufälliger" Zusammenhang genügt nicht. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten. Die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des Schutzzweckzusammenhangs trägt die Klägerin. Das Berufungsgericht wird nun aufzuklären haben, ob die eingetretene vorgeburtliche Asphyxie zu den Komplikationen einer Frühgeburt gehört, die durch die gebotene therapeutische Information vermieden werden soll.